Worum geht es beim Regenwasseranschlusszwang?

 

Die Frage, ob Regenwasser besser versickern oder über Kanäle in Gewässer eingeleitet werden sollte, ist aus ökologischer Sicht zumindest für unverschmutztes bzw. nur gering verschmutzte Regenwasser von Dächern, Garagenzufahrten, Terrassen u. ä. ganz eindeutig zu beantworten: Der Versickerung ist eindeutig der Vorzug zu geben.

Dies weiß auch die Stadt Wuppertal, denn noch 2006 lagen Broschüren der Stadtverwaltung aus, die für die Versickerung auf privaten Grundstücken warben: "HausbesitzerInnen, die das Regenwasser auf Ihrem Grundstück versickern lassen, helfen, den natürlichen Wasserkreislauf zu schließen, leisten damit einen aktiven Beitrag für die Umwelt." Weiterhin liest man dort, dass die Einleitung des Regenwassers in das städtische Kanalnetz "negative Auswirkungen wie z. B. Überschwemmungen, Absenkungen des Grundwasserspiegels oder [...] ein überlastetes Kanalnetz zur Folge" hat.

Davon will man seit 2006 bei der Stadt Wuppertal und den Wuppertaler Stadtwerken nichts mehr wissen.

Aus der Stellungnahme des BUND vom Juli 2004 zur Änderung des Landeswassergesetzes (LWG) ergibt sich auch eindeutig, dass die Einleitung von Regenwasser über das Kanalnetz in Gewässer generell abzulehnen ist. Leider setzten sich bei der Neufassung des LWG die Lobbyisten der Städte und Stadtwerke durch, denn es wurde Versickerung und Einleitung in Gewässer als gleichwertig eingestuft. Dadurch wurde durch die Landesregierung von NRW ein Ermächtigungsgesetz geschaffen, das es den Städten erlaubt beliebig willkürliche Regelungen anzuwenden.

Dies hat die Stadt Wuppertal denn auch prompt umgesetzt. Um die Kosten für den Wuppersammler in den Griff zu bekommen, wurde ein Anschlusszwang mit gleichzeitigem faktischem Verbot der Versickerung eingeführt. Die in der Satzung vorgesehene Befreiung vom Anschlusszwang bei "unverhältnismäßig hohem Aufwand" ist eine reine Worthülse, da nach gängiger Rechtsprechung laut einem Grundsatzurteil 50 000 DM, inflationsbereinigt ca. 27 000 € für den Anschluss eines Einfamilienhauses als zumutbar gelten. Dass der Betrag von 50 000 DM für den Anschluss an Schmutz- und Regenwasserkanal als zumutbar festgelegt wurde, legt das Verwaltungsgericht jetzt im günstigsten Fall so aus, dass der Betrag für den Anschluss an den Schmutzwasserkanal, typisch 7000 €, in Abzug gebracht wird und der verbleibende Betrag von ca. 20 000 € für Regenwasserkanalanschlussmaßnahmen zumutbar ist. Da nirgends eine Mindestgröße für Anschlusspflichtige Flächen festgelegt ist, ist praktisch jede (!) einzelne Gehwegplatte anzuschließen, so lange der zumutbare Betrag von 20 000 € nicht erreicht ist. Dies ist zumindest die Auffassung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf, das derartige Einsprüche gegen den Anschlusszwang derzeit mit dieser Begründung gelangweilt ablehnt.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Stadt Wuppertal versucht Gebühren von 1,61 € pro m² und Jahr (Stand 2008) bei möglichst vielen Bürgern einzutreiben. Dies entspricht bei einem typischen Einfamilienhaus mit ca. 200 m² versiegelter Fläche in zehn Jahren einem Betrag von 3220 €. Um diesen vergleichsweise geringen Betrag aber eintreiben zu können, wird der Bürger gezwungen ökologisch völlig unsinnige Investitionen von typischer Weise bis zu 20 000 € vorzunehmen.

Die Wut vieler betroffener Bürger richtet sich also nicht unbedingt gegen die anfallenden Gebühren, die viele Betroffene durchaus noch bereit wären zu zahlen. Es geht hier primär um die geforderten absurden Investitionen, die nur getätigt werden müssen, damit eine Gebührenpflicht konstruiert werden kann. Die geltende Regelung ist keineswegs sozial, wie von den Befürwortern regelmäßig argumentiert wird. Einzelne Hausbesitzer werden mit unverhältnismäßig hohen Kosten belastet. Das oft, auch von Mitgliedern des Wuppertaler Stadtrates, gehörte Argument vorhandene Versickerungsanlagen seien oft nicht in Ordnung, ist leicht zu entkräften. I. d. R. ist gerade der private Betreiber aus naheliegenden Gründen daran interessiert, seine Versickerungsanlage in funktionsfähigem Zustand zu halten. Darüber hinaus befinden sich eben gerade städtische Regenwasserbehandlungsanlagen häufig in einem desolaten Zustand. Für den o. g. Fall wird eine völlig neue Versickerungsanlage für unter 1000 € von örtlichen Tiefbauunternehmen angelegt.

Völlig absurd ist auch die sich, auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf, aus der Abwassersatzung der Stadt Wuppertal und den Bescheiden der Stadt ergebende Forderung tiefer gelegene Flächen über eine Hebeanlage an das Kanalnetz anzuschließen. In Zeiten des Klimaschutzes werden also Bürger gezwungen Pumpanlagen zu installieren und zu betreiben, die völlig sauberes Regenwasser, das noch problemlos im Garten versickert, in den Kanal zu pumpen, nur damit die Stadt Wuppertal Kanalgebühren in Bagatellgröße zusätzlich kassieren kann. Wenn es in Wuppertal regnet, wird dann in Kraftwerken zusätzlich CO2 produziert.  In der Praxis gibt es natürlich Gespräche mit mehr oder weniger engagierten Mitarbeitern der Stadt, wodurch irgendwo auch schon mal ganz weggeschaut wird, woanders auch mal eine Fläche vom Anschlusszwang für 20 Jahre ausgenommen wird. Dies zeigt die Absurdität der Situation. Man stelle sich vor, ich melde ein Auto an, und der Sachbearbeiter ist der Meinung, bei der Farbe ist die Kfz.-Steuer völlig unangemessen und gewährt einen Nachlass von 50 %. Undenkbar oder? Aber in einer Stadt, in der Korruption ein Fremdwort ist, muss man sich zum Glück keine Sorgen machen. 

Ebenso absurd ist die Gebührenpflicht bei einer Gebührenermäßigung von 50 % für solche Grundstücke, die dem Anschlusszwang unterliegen aber auf denen trotzdem eine Versickerungsanlage betrieben wird, deren Überlauf an den Kanal angeschlossen werden muss um eine Gebührenpflicht konstruieren zu können. Versickerungsanlagen sind nach Stand der Technik für mindestens fünfjährige Regenereignisse auszulegen, lassen sich bei geringer versiegelter Fläche und großem Grundstück aber durchaus so auslegen, dass höchstens bei "hundertjährigen Regenereignissen" die Versickerungsanlage das Wasser nicht aufnehmen kann und Wasser über den Überlauf austritt. Gerade in solchen Situationen ist aber das städtische Kanalnetz zweifellos überlastet und wahrscheinlich nicht in der Lage dieses Wasser aufzunehmen, wie diverse Ereignisse 2007 und 2008 belegen. Regenrückhaltebecken sind nach geltendem Standard BWK M3 sowieso maximal so auszulegen, dass statistisch alle zwei Jahre das Becken überläuft. In der Regel werden sie sogar nur für halbjährliche Regenereignisse ausgelegt. Bei einem fünfjährigen oder gar einem "hundertjährigen Regenereignis" hat solch ein Rückhaltebecken ohnehin keinerlei Rückhaltefunktion mehr.

Regenrückhaltebecken lassen sich natürlich wesentlich kleiner und damit kostengünstiger bauen, wenn weniger Grundstücke angeschlossen werden. Auch hier treibt der Anschlusszwang die Kosten in die Höhe. Darüber hinaus müssen Regenrückhaltebecken auch gewartet werden. So ist das Material, das sich in den teilweise vorgelagerten Absetzbecken, ansammelt, wegen des auf den Straßen anfallenden Reifenabriebs etc. als Sondermüll zu entsorgen. Weniger anfallendes Material durch weniger angeschlossene Flächen würde auch hier zu weniger Kosten führen. Die von Dächern, Terrassen und ähnlichen Flächen anfallenden Feststoffe in privaten Versickerungsanlagen wie z. B. Laub sind dagegen zur Kompostierung geeignet.

Der Zustand der Regenrückhaltebecken in Wuppertal ist, wie bereits angedeutet, keineswegs vorbildlich. Laut Angaben eines bekannten Wuppertaler Biologen sind Rückhaltebecken teilweise auf Durchzug geschaltet, d. h. sie haben keinerlei Funktion. Bei offenen Regenrückhaltebecken ist dies erkennbar, wenn auch bei starkem Regen der Einstau konstant bleibt. Dies ist z. B. beim Regenrückhaltebecken Kleinenhammer Bach zu beobachten.

Im Grundgesetz gibt es den Artikel 20a "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen..."  Die Handlungsweise der Stadt Wuppertal steht dazu zweifellos im Widerspruch. Die Schäden durch Hochwasser im Morsbachtal im August 2007 sind auch auf das faktische Versickerungsverbot in Wuppertal zurückzuführen. In anderen Städten des Landes, besonders solche, die häufig mit Hochwasserproblemen konfrontiert sind, wird Versickerung nach wie vor gefördert.

 

Wir fordern die Berücksichtigung folgender Punkte im LWG und in der Abwassersatzung der Stadt Wuppertal:

-      Vorhandene Versickerungsanlagen müssen weiter betrieben werden können.

-      Versickerung von unbedenklichem unverschmutztem bzw. nur gering verschmutztem Regenwasser von Dächern, Garagenzufahrten, Terrassen etc. muss wieder unter Beachtung geltender Standards ohne Einschränkung erlaubt werden.

-      Bürokratische Hürden wie hydrogeologische Gutachten müssen bei der Versickerung von Regenwasser von versiegelten Flächen unter einer bestimmten Größe entfallen.

-      Zusammenhängende versiegelte Flächen unter einer bestimmten Mindestgröße müssen unbürokratisch über die umgebende unversiegelte Fläche versickern können (z. B. einzelne Gehwegplatte im Rasen oder Gartenhäuschen).

-      Aussetzung aller laufenden Anschlusszwangbescheide für Regenwasser als Sofortmaßnahme bis zu einer Klärung der Situation.

 

Regenwasser ist kein Abfall!